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Alt 20-12-2003, 18:45
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Surli Surli ist offline
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Wie bei den römischen Imperatoren
Das erste Bild ist das Gesicht eines ungewaschenen Mannes mit einem grau-schwarzen, langen Bart und zerzaustem Haar. Bereits die römischen Imperatoren führten in ihren Triumphzügen neben den erbeuteten Feldzeichen und Schätzen die Anführer ihrer Feinde als Trophäen mit. Waren diese Präsentationen für die einen jeweils Gesten des Triumphes, so waren es für die anderen Gesten der Niederlage, ja der Demütigung.

Diese Demütigung spiegelt sich nicht zuletzt auch in der Sprache; es war in der Berichterstattung von einem Rattenloch die Rede, in dem sich die Ratte Hussein verkrochen hatte. Als ungewaschene Ratte soll ihn denn auch dieses erste Bild zeigen. Damit ist es aber weit mehr als eine persönliche Niederlage - es ist eine kulturelle Demütigung.

Dieser Clash of culture, dessen Produkt dieser Krieg ja immer auch war, wird im zweiten Bild nochmals intensiviert. Zwei in hauchdünnen Plastik gehüllte Hände, die gleichsam als verlängerter Arm der westlichen Zivilisation fungieren, unterziehen Hussein einer medizinischen Untersuchung. Dem Wilden werden hier die Errungenschaften westlicher Wissenschaft verabreicht, wobei die Szene eher an eine Viehschau oder an einen Sklavenmarkt erinnert. Dass mit dem Spachtel nicht wirklich die Gesundheit Husseins abgeklärt, sondern eine Speichelprobe entnommen wurde, um ihn in einer Analyse seiner DNA als den Richtigen zu identifizieren, verschweigt das Bild. Im Hintergrund sind weisse Kacheln zu erkennen, die in ihrer klinisch sterilen Sauberkeit die kulturelle Differenz zum unterirdischen Versteck des irakischen Diktators nochmals treffend verbildlichen.

Das dritte Bild ist aber eigentlich das scheusslichste. Hier wurde der Welt die Rückverwandlung des wilden Tieres in das Monster vorgeführt, das Saddam Hussein vermeintlich immer schon war. Dieses Verwandlungsbild beinhaltet zwei unterschiedliche Aspekte. Einerseits dient es der Identifizierung - so absurd das klingen mag. Der nun rasierte und frisierte Mann ist derjenige, den wir als Saddam Hussein wieder erkennen. Obwohl wir alle um die zahlreichen Doppelgänger Husseins wissen und der Beweis natürlich in einer DNA-Analyse erbracht wurde, bleibt dieses Bild der sichtbare Beweis seiner Gefangennahme. Denn wir benötigen zur Identifizierung einer Person ein Gesicht - ein Blick in unsere eigenen Pässe und Personalausweise belegt dies. Denn das Gesicht ist und bleibt seit der Moderne der Sitz einer Person.

Die Identifizierung einer Person durch ihr Gesicht, die trotz viel genaueren Methoden ungebrochen anhält, hängt mit dem zweiten Aspekt zusammen, der sich in diesem Verwandlungsbild verbirgt: die Auslöschung der Person Saddam Husseins. Diese wird am wirkungsvollsten durch direkte Eingriffe in deren Gesicht erreicht. Dabei hat die Zerstörung der öffentlichen Person Saddam Husseins ja längst begonnen. Kaum waren die westlichen Truppen im Irak einmarschiert, begannen erste Attacken gegen den Diktator in effigie, also gegen Bilder seiner Person. Dabei richteten sich solche Attacken vornehmlich gegen das Gesicht des Herrschers.

Die Praxis, Gesichter dauerhaft zu markieren, ist dabei keineswegs neu. Bereits in der Antike war es üblich, Unfreie dadurch zu kennzeichnen, dass man ihnen ein Ohr coupierte. In deutschen Städten des 14. Jahrhunderts wurde gegen soziale Randgruppen Ähnliches als Leibesstrafe angedroht; Prostituierten, die sich nicht an gewisse Regeln hielten, wurde die Nase abgeschnitten. Aus den reformatorischen Bilderstürmen hat sich eine ganze Reihe von Heiligenbildern erhalten, die Spuren von Angriffen aufweisen; meist zielten diese Attacken gegen das Gesicht und besonders gegen die Augen der Heiligen. Die Attacke gegen ein Gesicht trifft die Person, nicht nur deren Körper.
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