Teil 2
'Wird das ein Östereicherwitz?' sage ich, während ich mit allen verfügbaren Fingern auf den Feind ballere. ZU SPÄT. YOU GOT KILLED. GAME OVER.
Meine Laune sinkt von minus zweihundert auf den absoluten Nullpunkt.'Was kann ich für Sie tun?' Stimme so weich wie Kaschmirwolle - (ein untrügliches Warnzeichen!)
'Ähm, Ich hätte gerne gewusst, ob wir ein bestimmtes Software-Pakethaben...'
'Was für eine Software ist das?'
'Ähm, sie heisst B-A-S-I-C.' klickerdiklackerdiklick r-m b-a-s-i-c.e-x-e klickediklackediklickklickediklackediklickklickediklackediklick 'Tja, und dann hätten Sie dem System Manager keine so böse Mail schicken dürfen. Eine Mail, die ausdrückt, was Sie von ihm halten - in hübschen Bildern!'
'Ich habe keine ...'
'So? Haben Sie nicht? Wer kann das noch sagen heutzutage? Keine Sorge, es bald wird alles vorüber sein....' ' ... noch den Usernamen zurückändern ...'
'B-b-b-b', blubbert er, wie eine desynchronisierte PDP-11.
'Leben Sie wohl', sage ich überfreundlich. 'Ich denke, Sie sollten jetzt besser packen. Viel Spass beim Neubeginn.' Ich lege auf. Zwei Sekunden später läutet das rote Telefon. Es ist der Boss. Er knurrt den Usernamen - von wem wohl? - und etwas über eine schweinische Mail.
'Sie wissen, was Sie zu tun haben ...' mit den Punkten und allem. Später, im Abrechnungscomputer der Städtischen Elektrizitaetswerke, während ich die nächste Rechnung des armen Schweins um ein paar Nullen korrigiere, wundere ich mich wieder einmal über diesen hartnäckigen und unglaublichen Mangel an Urteilsvermögen - welche Blödheit kosmischen Ausmasses treibt sie immer wieder dazu, bei miranzurufen. Noch später, als ich im FBI Computer sein Photo von der WWW Page in die Gesuchtenliste kopiere (die mit dem Label 'Dringend gesucht, bewaffnet und gefaehrlich, sofort schiessen'),komme ich zu dem Schluss, dass ich es wohl niemals wissen werde -aber das Leben geht weiter. Ein paar Stunden später sehe ich die GSG9 sein Apartment umstellen,und mir wird klar: für ein paar von uns wird es das nicht. Aber morgen ist ein neuer Tag.
Es ist Donnerstag und ich bin guter Laune. Es ist Zahltag. Ich denke,ein paar Anrufe können nicht schaden. Also lege ich den Hörer zurück auf die Gabel. Es läutet.
'Seit Stunden versuche ich Sie zu erreichen!' schreit eine Stimme amanderen Ende.
'Nanana, STUNDEN können's gar nicht gewesen sein', sage ich,während ich 'Blade Runner' ins Cover zurückstecke und mir die Rückseite anschaue. 'Allenfalls 114 Minuten. Ich hatte einen langen Chat mit dem grossen Boss. Versuchte, bessere Technik für unsere Benutzer herauszuschlagen.' Eins, zwei, drei ...
'Oh, tut mir leid.'
'Macht nix. Ich bin nicht nachtragend.' Ich nehme mir vor, sein Passwort in den nächsten Tagen etwas abzuändern, in etwas, worauf er nicht so schnell kommen duerfte.
'Ähm, ich weiss nicht, wie ich ein File umbennen kann', sagt er. Oh, Gott... Moment, es ist ja Zahltag, nicht? Also bin ich guter Laune.
'Aber klar. Tippen Sie nur 'rm' und den Filenamen.'
'Vielen Dank.'
'Keine Ursache.' (Jetzt bin WIRKLICH guter Laune. Vielleicht sollte ich heute das Skript fertigschreiben, das Abspeichern zu bestimmten, zufällig gewählten Zeiten unmöglich macht.) Das Telephon laeutet wieder.
'Hallo?'
'Hallo, ebenfalls', sage ich.
'Ist das der Kontrollraum?'
'Aber klar doch', sage ich, zuckersüss.
'Könnten Sie mir bitte meine Ausdrucke herausbringen? Ich brauche sie dringend, und der Ausdruck müßte schon seit fünf Minuten zu Ende sein.'
'Ihr Username?' frage ich. Er gibt ihn mir, und ich notiere ihn für später. 'Kein Problem. Moment.', sage ich und gehe 'rüber zu den Druckern. Ein RIESEN Haufen von Ausdrucken liegt auf dem Boden. Und, tatsächlich, sein Dokument liegt ganz oben auf. Ich breite es über dem Haufen aus und sprühe großzügig unser Spezialfleckenwasser in die Gegend. Dann fahre ich den schweren Bandwagen ein paar Mal darüber und klemme es zum krönenden Abschluss vier, fünf Mal in die schwere Safetüre ein, wo wir die Backup-Bänder aufbewahren sollten. Hübsch.
'Hier sind Ihre Ausdrucke', sage ich, 'Tut mir leid, dass es solange gedauert hat. Wir haben ein paar kleinere Probleme mit dem Drucker.' Ein Blick und er macht sich fast in die Hose.
'Oh, Gott! Kann ich es nochmal drucken?' fragt er besorgt.
'Aber klar doch', sage ich. 'Aber, wie gesagt, unser Printer ist nicht besonders gut drauf heute.'
'Äh, kann ich es auf dem Laser drucken - funktioniert der?'
'Natürlich, aber das kostet eine Kleinigkeit', sage ich, Mitgefühl verströmend.
'Egal, was es kostet! Das ist hyper-dringend!'
Ich schleiche zurück in den Druckerraum und suche die Toner-Kassette, die wir für spezielle Fäelle aufbewaren - die mit den dickenschwarzen Streifen in der Mitte und den blassen Rändern. Ich habe auch ziemlich lange gebraucht, bis sie so gut funktionierte. Der Ausdruck kommt raus und ich bringe ihn sofort nach vorne. Bloss nichts verpassen.
'W-w-w-was ist den jetzt passiert', winselt mich der Geck an.Gut, dass ich den Usernamen notiert habe - Geistige Folter ist vielleicht doch etwas, wofür ich mich längerfristig begeistern könnte.
'Äh, nichts. Ich meine, klar: es ist nicht perfekt. Aber der Toner hatauch schon 47 Tausend Seiten drauf und wurde 17mal nachgefüllt. Ich finde, es ist noch gut gegen das, was wir sonst so bekommen.' Der Geck zahlt und beginnt zu wimmern.
'Na, kommen Sie. Kein Grund zum Heulen. Haben Sie die Arbeit auf Disketten?'
Er gibt mir eine kleine Plastikbox mit Disketten. Ich hüpfe schnell rein und lege sie kurz auf den Lösch-Magneten. Ich gehe wieder hinaus.'Tut mir so leid, aber mir fällt gerade ein, dass unser Lesegerät hinüber ist. Sie müssen damit zu dem Druckerraum U am anderen Ende des Campus - kennen Sie den? - und es dort ausdrucken. Dort sollte esklappen. Die haben gestern einen neuen Toner bekommen.'
'SUPER!'
'Gern geschehen. Und denken Sie daran: immer die Disketten hoch über den Kopf halten. Das Erdmagnetfeld ist heute wieder extrem stark.'
'Häh???'
'Keinen langen Reden. Machen Sie's.' Er marschiert los, die Disketten hoch über dem Kopf. Manchmal hasse ich mich selbst.
Die dauernde Langeweile bringt mich um. Also lese ich User E-Mails, um die Zeit tot zu schlagen. Allerdings muss ich zugeben, dass die heutige Lieferung auch nur zum Gähnen anregt. Nicht eine wirklich gute Nachricht darunter. Nicht mal versteckte Andeutungen über Fummeln im Supermarkt, wie sonst. Gar nichts. Statt dessen muß ich mir den üblichen Sch... zu Gemüte führen: Welcher Verwandte wann welche Art von Operation über sich ergehen lassen muss, und welche es nicht überlebt haben, wie das Wetter auf der anderen Seite des Erdballs ist -die Sorte von Redundanzmails, die nur unsere Queues vollknallen! Um die Sache etwas aufzulockern, hole ich eine persöhnliche Party-Einladung aus einer Mailbox, poste sie unter dem Namen des Senders in alt.singles.with.severe.social.dysfunctions im USENET und mache eine Notiz in meinem Kalender, damit ich rechtzeitig dort bin - mit meiner Videocamera. Könnte was werden! Was steht als nächstes an? Ahja, die medizinische Datenbank, in der die Vertrauensärzte der Uni die Krankheitsgeschichten der Angestellten speichern. Ich suche schnell mal durch nach 'Herpes' und 'Syphilis' und verkaufe die Ergebnisse an die lokale Boulevardpresse.Um meine Spuren zu verwischen, gehe ich in den Account des Oberarztes und füge dort folgenden Eintrag in sein online Tagebuch ein: 'DM 500, Med. Daten an Zeitung' Sollte ausreichen! Ich schichte ein paar Bänder aus den Regalen auf den Laborwagen und zurück, damit es so aussieht, als ob wir sie tatsächlich verwenden. Dann gehe ich in Archie und suche nach einem bestimmten,verborgenen X-GIF Server, von dem ich gehört habe. Als ich ihn finde, starte ich einen Batch unter einem User-Account um die Bildchen 'runter zu laden - natuerlich auf seine Kosten. Gerade noch rechtzeitig fällt mir ein, ob auch genug Speicherplatz fuer die Bilder frei ist. Umganz sicher zu gehen, entferne ich alle Dateien auf der Platte, die nicht direkt mit dem Batch zu tun haben. Zum Beispiel die ganzen LaTeX-Dokumente 'diss*.*'; die sind in letzter Zeit sowieso schon wieder vielzu gross geworden.Zurück in Useremail schaue ich, ob sich inzwischen was getan hat. Naaah. Schließlich grepe ich alle files nach 'schwanger', 'Scheidung' und 'Therapie' und poste sie anonym in eine lokale Klatsch-Newsgroup. Dann, bevor ich auch nur piep sagen kann, ist der Strom weg! In der nächsten Sekunde läutet schon das Telefon.
'Hallo?' sage ich, wuetend - der Coyote hat den Roadrunner gerade fast am Wickel gehabt!
'Was ist mit dem Comp...' Ich hänge auf. Jetzt geht's um Leben oder Tod. So schnell ich kann, reisse ich das Stromkabel des Mainframes aus der Notstromversorgung und schließe fieberhaft mein TV daran an. Verdammt! Der Roadrunner war wieder schneller! Inzwischen fangen überall die Warner an zu jaulen, weil die Hauptplattenspeicher runterfahren. Aber was soll's? Mein Mac und mein Terminal sind sowieso fest mit der Notstromversorgung verbunden, und ich bin im Beer Factory Level in Dark Castle.Das Telefon klingelt schon wieder. Also lasse ich die Kommunikationssicherung am Notstromschaltkreis herausschnappen und endlich ist Ruhe. Um ganz sicher zu gehen, hole ich den Hockeyschläger aus dem Spind und übe ein bisschen Einer-gegen-die-Wand. Durch das Glasfenster schaut das aus, als ob ich wie einWahnsinniger nach dem Fehler suche - wie üblich.10 Minuten später ist der Strom wieder da und die Diagnose meldet zwei Hard Disk Crashs auf dem Main Level, zum Teufel damit! Ich habe keinen Mann verloren, bin kurz vorn letzten Level und im TV kommen noch mehr Cartoons! Das andere Telefon läutet, ein User (welch Überraschung!).
'Kontrollraum', sage ich, so richtig im Stress.
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