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Alt 22-09-2001, 22:38
Richard Richard ist offline
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<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Helvetica, sans-serif">Zitat:</font><HR>Original erstellt von Sektenmitglied:
@enigma hör dir mal zu: gezielt ein volk töten das ist krank und jetzt erzähl mir nicht die taliban wären kein volk damit das mal gleich von vornerein geklärt ist das sind menschen
[ 22. September 2001: Beitrag editiert von: Sektenmitglied ]
[/quote]

So, jetzt habt ihr es geschafft: Ein Schläfer ist erwacht und klinkt sich gleich mal hier ein.

Die Taliban sind wirklich kein Volk. Mit Taliban bezeichnen wir -von der eigentlichen Wortbedeutung in der Tat abgeändert- hier ja allgemein die Menschen mit der Macht im Regime [nein, es ist keine Regierung, es ist ein Regime] in Afghanistan. Die Taliban kommen aus dem Volk der Paschtunen, das sind ungefähr 6 Millionen Menschen, die zu gleichen Teilen in Südafghanistan und Nordwestpakistan leben.

Jetzt zum eigentlichen Problem:
Egal, wie die Welt reagiert, den Terrorismus schafft man so leicht nicht aus der Welt. Greift man die Taliban, die Terroristencamps oder meinetwegen auch Bin Laden an, dann provoziert man neue Anschläge und spielt den Terroristen in die Hände, was neuen, hasserfüllten, fanatischen Nachwuchs betrifft. Greift man nicht an, dann werden neue Terroranschläge vorbereitet und bestimmt auch ausgeführt werden. Denkt daran, dass die Terroristen bei den Zielen eine riesige Auswahl haben. Die könnten im Prinzip auch amerikanische Kreuzfahrtschiffe, amerikanische Touristen oder Einrichtungen/Menschen jedes Landes, das die USA unterstützt, angreifen. Damit meine ich Deutschland genauso wie Israel, Russland oder Pakistan [hier ist die Sache ein wenig heikeler, aber Regierungsgebäude wären ein sehr lohnendes Ziel; getarnte Terroristen hat man sicherlich mit den Flüchtlingswellen ins Land geschleust]. Auch das würde zu einer wachsenden Unterstützung für die Terroristen ["Schaut mal, die Amis machen ja gar nichts! Hat jemand noch Sprengstoff übrig?"] führen.
Die Idee, dem Terrorismus seinen Boden durch humanitäre Hilfe zu entziehen, macht auch verwundbar [siehe Shelter Now], außerdem läuft da ohne Militärpräsenz auch nichts. Dann leiten die Taliban die Hilfskonvois in ihre eigenen Getreidespeicher um und hungern die Bevölkerung und die Nordallianz aus. Kommt Militär ins Land, um die Hilfskonvois zu schützen, wird das Militär angegriffen.

Diplomatie mit Terroristen? Aussichtslos.
Diplomatie mit den Taliban? Kaum sinnvoll. Immerhin sind eine Tochter von Bin Laden und ein Sohn von dem Taliban-Chef verheiratet worden. Die beiden Familien hängen also schon zusammen.

Hat jemand die Dokumentation "Reich der Finsternis" gesehen? Darin wird gezeigt, wie das mit internationalen Mitteln gebaute Fußballstadion in Kabul für Massenexekutionen benutzt wird. Die Reporterin fragt den Taliban-Außenminister, weshalb in dem Stadion denn kein Fußball gespielt wird. Die Antwort: "Wir brauchen eine Hinrichtungsstätte. Wenn uns die UN Geld gibt, damit wir eine bauen können, dann spielen wir in dem Stadion auch Fußball."
Ich bezweifle auch, dass ganz Afghanistan fanatisiert ist. Immerhin haben wir zum einen gerade Bürgerkrieg und zum anderen darf die Hälfte der Bevölkerung in von dem Taliban-Regime kontrollierten Gebieten ihre Meinung überhaupt nicht sagen. Und ich bezweifle, dass ich als Frau gut auf ein Regime zu sprechen wäre, dass mich nur wegen meines Geschlechtes unterdrückt, mir ein Arbeits- und Bildungsverbot aufzwingt und mich nur verschleiert auf die Straße lässt.
BTW, Musik ist im Taliban-Gebiet auch verboten...

Wie wird man verfahren? Ich glaube, dass man jetzt massiv die Nordallianz mit Geld, Waffen und Luftschlägen unterstützen wird [ja, richtig, das kennen wir schon von den USA, eine beliebte Standarttaktik]. Die machen die Drecksarbeit und erobern das Land zurück. Eventuell können derweil Spezialeinheiten versuchen, Bin Laden ausfindig zu machen und möglichst gleich an Ort und stelle umzubringen [eine Beweisführung in einem Prozess wird nicht ganz leicht werden. vielleicht wird er ja wie Al Capone nicht wegen Mord, sondern wegen Steuerhinterziehung verurteilt, um mal sinnbildlich zu sprechen]. Dann kann man auch noch den König ins Land zurückholen, der war populär, will gerne zurück und hat, als er an der Macht war, auch für halbwegs stabile Verhältnisse und ein wenig Wohlstand im Land gesorgt. Stabilität wäre sehr wichtig, sowohl in Afghanistan wie auch im Pakistan, denn die Amis wollen eine Ölleitung von Turkmenistan über Afghanistan bis zur pakistanischen Küste ziehen.
Die andere Möglichkeit wäre natürlich, ganz kalkulierend gesprochen, eine echte Endlösung [ja, den Begriff benutze ich bewusst] der Taliban- und eventuell auch der Islamistenfrage.
Dass sich die USA in ihrer Politik großartig ändern, bezweifele ich. Man wird jetzt diese Anti-Terroristen-Maßnahmen und die verschärften Sicherheitsbestimmungen durchziehen, aber die Frage nach dem Richtig oder Falsch der US-Dollar-Kolonialismus-Politik wird sich garantiert nicht stellen, da bin ich mir sicher.
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Richard
Aut NODH et NBO aut nihil!
Ante obeliscum ei cuncti parilis sunt.
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